von Raphael Laufkötter
Das Berufsbildungszentrum Willi Graf aus St. Ingbert hat den ND dazu eingeladen bei einem internen Gedenktag zusammen mit Vertretern von Kirche, Land und Kommune ein Grußwort zu sprechen. Circa 60 Schüler sollten bei der Veranstaltung dabei sein. Die ND-Leitung hat deshalb in Absprache mit der Schule mich als jungen NDer (20) geschickt, wodurch die Botschaft besser ankommen sollte. Folgendes habe ich zu den Schülern gesagt:
Ca. jeder Vierte Deutsche meint (nur nebenbei: die Umfrage ist von 2020, ZDF), dass wir uns gar nicht mehr mit dem Nationalsozialismus beschäftigen sollten. Jeder Vierte. Das ist erschreckend! Ich freue mich, dass Sie durch diesen Gedenktag ein Statement setzen. Sehr geehrtes Kollegium, sehr geehrte Vertreter von Land, Kommune und Kirche, sehr geehrter Herr Prälat Prof. Moll. Hallo Schülerinnen und Schüler! Willi Graf war Mitglied in einem Netzwerk. Dieses Netzwerk existiert bis heute. Ich spreche dieses Grußwort im Namen dieses Netzwerks. Da ich hauptsächlich zu den Schülern und Schülerinnen rede, duze ich. Als Erstes erzähle ich euch, warum dieses Netzwerk, dieser Verband, gegründet wurde. Danach erkläre ich, was der Verband heute macht. Ich will zeigen, warum die grundlegenden Gedanken für euch und die Gesellschaft wichtig sind.
Nach dem ersten Weltkrieg gründete ein Jesuit, ein Mitglied des Jesuitenordens, einen Schülerbund mit dem Namen ‚Bund Neudeutschland‘ – kurz ‚ND‘. Als Gemeinschaft wollten sie damals an einem besseren, neuen, einem christlichen Deutschland mitarbeiten – nach der Katastrophe des ersten Weltkriegs. Die Mitglieder wollten ihren Glauben nicht alleine leben. Sie wollten ihn leben mit dem Auftrag Verantwortung zu übernehmen. Für die Gesellschaft. Sie nach christlichen Werten gestalten. Mit Nächstenliebe, Menschlichkeit und Barmherzigkeit. Zur Gründungszeit durften nur männliche Gymnasiasten Mitglied sein.
Als Hitler an die Macht kam, wollte sein Regime alle männlichen Jugendlichen in der Hitlerjugend vereinen. Dazu löste das Regime alle anderen Jugendverbände auf. Das betraf ab 1939 auch den Bund Neudeutschland. Leider muss ich sagen, dass nicht alle Mitglieder damals Widerständler waren. Aber einige. Sie hielten an dem Ziel fest als Gesellschaft Nächstenliebe zu leben. Deshalb protestierten sie. Neben Willi Graf zum Beispiel Pater Alfred Delp und Lothar König. Beide waren Teil der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis. Sie standen alle für eine christliche Lebensgestaltung. Für Nächstenliebe. Für Barmherzigkeit. Sie haben Verantwortung übernommen.
Nach dem zweiten Weltkrieg bildete sich das Netzwerk neu. Ab 1980 öffnete sich der Bund Frauen und Mädchen.
Was ist der ND heute?
Das Grundlegende ist gleich: Der ND lebt seinen Glauben. Er lebt ihn im Auftrag Verantwortung zu übernehmen in der Gesellschaft. Deshalb sind die Mitglieder oft politisch interessiert oder engagiert. In diesem Verband wird sehr viel diskutiert. Respektvoll! Die Meinung des Anderen ernst nehmen. Zuhören. Dann kann man sich austauschen. Am Ende steht keine Wahrheit – Aber Erkenntnisgewinn. Jeder kann aus der Diskussion etwas mitnehmen. Er kann es in die Gesellschaft einbringen.
Die Meinungen gehen dabei weit auseinander. Deshalb ist der Verband nach außen unpolitisch. – Eine Ausnahme: Eine Mitgliedschaft im ND und in der AfD sind nicht miteinander vereinbar. Der Grund ist logisch und konsequent: Der ND setzt sich für ein Deutschland mit CHRISTLICHEN Werten ein. Die AfD nicht. Sie ist dagegen. Sie ist gegen Menschlichkeit, Zivilcourage, Barmherzigkeit und Nächstenliebe.
Wenn die Menschen um mich herum barmherzig sind, ihren Nächsten lieben, dann kann ich mich ausprobieren. Dabei darf ich auch scheitern. Deshalb kann ICH, hier, als junger Mensch ein Grußwort sprechen. Wo andere Verbände einen alten Mann mit weißen Haaren schicken würden. Überhaupt dürfen Jugendliche – im ND – überall Verantwortung übernehmen.
Dem Verband ist Bildung wichtig – Weil Bildung Reflexion ermöglicht. Reflexion schützt davor, Halbwahrheiten hinterherzulaufen. Deshalb brauchen wir eine breit aufgestellte Bildung in der Bevölkerung. Wir sehen in den USA eine beeindruckende Elitenbildung. In der Breite findet sich wenig. Das Ergebnis: Politische Extreme. Das muss Deutschland verhindern. Was wäre Deutschland ohne Bildung? Wovon sollen wir leben? Der Kohleabbau in der Lausitz ist längst eingestellt. Wir haben nichts anderes als Bildung! Wenn Menschen heutzutage den Begriff ‚Bund Neudeutschland‘ hören, dann denken sie oft nicht an eine Gemeinschaft, die für christliche Werte Verantwortung übernimmt. Sie denken eher an eine rechtsradikale – oder eine linksradikale Gruppierung. Der ND ist weder noch – er ist unpolitisch. Deshalb hat der Verband sich vom Namen ‚Bund Neudeutschland‘ getrennt. Trotzdem wollte er seine Buchstaben behalten, weil sich die Mitglieder damit identifizieren. Deswegen heißt er jetzt ‚ND – Christsein.heute‘ ohne, dass die Buchstaben für mehr stehen als ‚Niveauvoll diskutieren, neugierig dabei sein und nah dran‘. Und ja – es gibt Tassen mit der Aufschrift ‚ND – Niemals Durstig‘ Ich weiß nicht, ob ihr euch für die Kirche interessiert. Ich weiß nicht, ob ihr euch für Politik interessiert. Ich weiß aber, dass ihr in Frieden leben wollt. Anhaltender Friede ist nur mit Nächstenliebe möglich. Wenn dir jeder andere wichtig ist, OBWOHL es DIR gut geht. Was bestimmt dein Handeln? Was passiert morgen, übermorgen in deinem Alltag – Spielt Nächstenliebe eine Rolle? Um nach christlichen Werten zu handeln, musst du nicht an Gott glauben – du kannst. Wichtig ist, dass du Werte wie Nächstenliebe verinnerlichst. Ob du das dann christlich oder vernünftig nennst, ist für die Gesellschaft egal. Willi Graf hat sich damals für christliche Werte eingesetzt. Er war damals so alt wie ihr jetzt seid. Aber die Gesellschaft war eine andere. Es gab zum Beispiel kein Whatsapp und fast kein Telefon – Keine Demokratie. Was müsst ihr heute tun? Für eine Gesellschaft mit christlichen Werten. Für anhaltenden Frieden? Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer. Geht das gut? Die Menschen in Afrika leiden stark durch unser klimaschädliches Verhalten. Bleibt es friedlich, wenn wir ihnen aus der Ferne die Lebensgrundlage nehmen? Auch sie sind unsere Nächsten. Zu Beginn habe ich erzählt, dass ca. jeder vierte Deutsche meint dass wir uns nicht mehr mit dem Nationalsozialismus beschäftigen sollten. Aber ‚Wer nicht weiß, aus welcher Vergangenheit er kommt, weiß nicht, auf welchem Grund seine Gegenwart gebaut ist. [Er] hat für seinen Weg in die Zukunft keine Orientierung‘ so schrieb es die ehemalige Leiterin des Verbands, Claudia Lücking-Michel. Darum freue ich mich als Vertreter des NDs, dass dieser Gedenktag stattfindet.
Danke, dass Sie den ND eingeladen haben!
