„Eine angenehm selbstbewusste Einmischung in die Gesellschaft“ – Drei Fragen an Ottmar John zum ND-Kongress in Dresden

Der Inhalt dieses Beitrages entspricht der persönlichen Meinung des Autors.

Ein Vierteljahr nach dem Kongress in Dresden. Welche persönliche Bilanz ziehst Du aus den Ostertagen?

Ottmar John: Vorbereitung und Durchführung des Kongresses war ein überaus bereichernde und horizonterweiternde Erfahrung. Ich bin vielen Menschen begegnet, die ich nicht kannte, und habe von Ihnen viel gelernt, über Dresden, über Sachsen und über das Ringen seiner Bürger und Christen um das friedliche Zusammenleben der Menschen in einer gerechten Gesellschaft, die Heimat für alle wird. Seit unserem Kongress ist Dresden für mich nicht mehr die Stadt von Pegida, sondern die Stadt, in der eine große Anzahl von Initiativen für den Zusammenhalt der offenen Gesellschaft kämpfen.

Bereichernd und berührend war die Offenheit, mit der wir von diesen Initiativen bis hin zur Katholischen Akademie empfangen wurden. Ich hatte bei unseren Vorbereitungstreffen in Dresden immer wieder den Eindruck: Wir sind erwartet worden. Ein Pfarrer sagte es ausdrücklich: Gruppen wie den ND brauchen wir hier.

Und ich habe diese Erfahrung nicht allein gemacht. Es war eine Erfahrung unsere Verbandes mit seinen Anliegen und Optionen. Rückblickend kann man sagen, dass die Ausstellung von Justitia et Pax mit dem großen Wort „Versöhnung“, das während des ganzen Kongresses vor der Frauenkirche zu lesen war, immer mehr zu einem bündigen Ausdruck des Grundanliegens des ND wurde. Der ND hat die Erfahrung gemacht: Unsere Engagements, unsere Hoffnungen und die gesellschaftliche und politische Praxis unseres Glaubens werden gebraucht.

Welche Ergebnisse ergaben sich aus der Reflexion des Kongresses? Am Samstag wurden Reflexionsbögen verteilt und die Programmkommission traf sich während des Katholikentages in Münster zur Auswertung.  

Die Presseresonanz war in Dresden sehr viel größer als bei anderen Kongressen. Ein großer Artikel im Tag des Herrn, der Kirchenzeitung der ostdeutschen Diözesen brachte unser Zielsetzung, die wir bei Vorbereitung und Durchführung des Kongresses verfolgten, gut auf  den Punkt: „…dass Verbände wie der Bund Neudeutschland sich hier präsentieren, ist wohltuend und hilfreich. Vordergründig waren nicht die Verbandsstrukturen wahrnehmbar, sondern eine angenehm selbstbewusste Einmischung in die Gesellschaft. Das, was Frank Richter sonst in der Kirche oft noch unterbelichtet sieht, hat der Bund Neudeutschland in der Osterwoche in Dresden gelebt. Er war als christliche Stimme für Menschen vernehmlich und verständlich, die Anerkennung, Wertschätzung und Zusammengehörigkeit vermissen.“

After-Work-Schiene und Abendveranstaltung wurden zu 99% positiv bis begeistert bewerten

In den ersten Wochen nach dem Kongress kamen eine Reihe von sehr euphorischen und begeisterten Dankmails an die Programmkommission. Die Auswertung der Reflexionsbögen hatte ein wichtiges Ergebnis für ein zukünftiges Kongresskonzept: Die „after-work-Schiene“ und die offenen Abendveranstaltungen wurden zu 99 Prozent positiv bis begeistert bewertet. Auch die Konstruktion des Programms, die davon ausgeht, dass nicht jeder jede Veranstaltung mitmachen kann, ist angenommen worden – auch wenn von einigen bedauert worden ist, dass sie sich zwischen zwei als superinteressant eingeschätzten Veranstaltungen hätten entscheiden müssen. Das Kongressformat, seit einigen Jahren praktiziert, scheint sich durchgesetzt zu haben. Es ist ein typisch postmodernes Format, das eine große Fülle von verschiedenen Einzelveranstaltungen Raum gibt und Wahlmöglichkeiten eröffnet, ja manchmal auch Entscheidungen erzwingt.

Erfreulicherweise gab es auf den Reflexionsbögen eine ganze Reihe von inhaltlichen Rückmeldungen. Kongressteilnehmer nutzten die Bögen, um zu dem ein oder anderen Referenten inhaltlich Stellung zu beziehen.

Eine Reihe von externen Impulsgebern und Referenten lobten die kompetente und hochengagierte Beteiligung der Kongressteilnehmer an ihren Veranstaltungen.

Eine sehr ausführliche Rückmeldung widmete sich der eigentümlichen Mischung aus „Klassentreffen“ von Freunden, die sich lange kennen und aus allen Teilen der Republik zum Kongress zusammen kommen und Präsenz, Spiritualität und politischem Engagement. Das habe er so noch nie erlebt und sei möglicherweise ein Alleinstellungsmerkmal des ND, ein Potenzial der katholischen Kirche, das weiter entwickelt werden sollte.

Spannend war die Kooperation zwischen einer weitgehend ehrenamtlich arbeitenden Programmkommission mit professionellen Akteuren. Im Aufeinandertreffen von verschieden Kulturen sitzt viel Power, aber es bleibt auch eine Aufgabe, in solchen Kooperationen das eigene Ende fest zu halten – soll Kooperation mehr sein als bloße Zuwendung von Sachmitteln. Das wurde vor allem bei der Abschlussbesprechung während des Katholikentages in Münster deutlich.

Wir müssen uns auch der Realität stellen, dass die Beteiligung der Zielgruppe unseres Zukunftskonzeptes, Menschen zwischen 35 und 55, hinter unseren Zielen zurückblieb.

Was ist der Dresdener Übertrag auf den Jubiläumskongress in Köln und die folgenden ND-Kongresse?

Ich bin der Überzeugung, dass der Kongress in Dresden, wie schon einige Kongresse zuvor, den Transformationsprozess des ND voran gebracht hat. Der ND muss sich verändern, um seinem Ursprung und seiner Geschichte treu zu bleiben. Er muss sich einmischen und an relevanten Debatten beteiligen. Er muss sich antreffbar machen. Wir müssen unsere Anliegen und Optionen wortwörtlich auf den Marktplätzen, aber auch in den Universitäten, den Schulen und den Museen kommunizieren.

Zukünftige Kongresse müssen den Aufbruch in die Urbanität sehr konkret vollziehen

Nur so kann unser Verband von Menschen bemerkt werden. Das geschieht beispielhaft in einer Kongresswoche in einer Stadt. Das geschieht in einem offenen Programm. Und das geschieht durch Kooperationen mit anderen Verbänden und Einrichtungen, die ähnliche Intentionen haben wie wir.

Ich meine, dass zukünftige Kongresse diesen „Aufbruch in die Urbanität“ sehr konkret vollziehen müssen. Urbanität ist ja nicht nur die bauliche Realität der Stadt, sondern umfasst Haltungen, Lebensgefühle, neue Kommunikationsformen und vieles mehr. Damit liefern die Kongresse thematische Anregungen für die Aktivitäten auf der Ebene der Regionen und Gruppen. Ziel ist, neue Präsenzen des ND in urbane Zentren anzustoßen. Damit erfolgreich zu sein ist keine Bedingung für den Sinn der Kongresse, aber es muss ein Ziel bleiben, sondern sind die Kongresse für den Aufbruch des ND bedeutungslos. Kongresse sollten eine katalytische Funktion für die Erneuerung des ND und eigene Akzente in der Verwirklichung des Entwicklungsprozesses setzen.

Ottmar John, Ibbenbüren, ist Leiter der Programmkommission und als Mitglied der ND-Bundesleitung  für die Kongresse.

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