Denke ich heute ans neue Deutschland .. – ein Kommentar zum Tage

Der Inhalt dieses Beitrages entspricht der persönlichen Meinung des Autors.

Heute vor drei Jahrzehnten – das ist die glückselige Tageserinnerung – brachten friedliche Revolutionäre die Mauer zum Einstürzen und schlugen couragiert eine Bresche für eine weitaus bessere Demokratie im neuen Deutschland. Klar waren sie begünstigt durch ein kopfloses SED-Regime, das seine moralische Legitimität spätestens mit den Wahlfälschungen verspielt hatte und das erlebte, wie die Aufmärsche zum Republikjubiläum eine sinnentleerte Souveränität angesichts des Esprits und Mut der Bürgerrechtler*innen widerspiegelten. Der Fortgang der Geschichte ist bekannt.

Von Normalität im neuen Deutschland kann heutzutage keine Rede sein. Wen hat nicht das Entsetzen gepackt? Nach dem üblen Anschlag auf die Synagoge und den willkürlichen Morden in Halle (Saale) zu Jom Kippur. Nachdem in Thüringen gut zwei Drittel der AfD-Wähler*innen nicht etwa aus Protest, sondern gerade wegen der Höcke-Programmatik für die AfD votiert haben? Bekanntlich wird der von Höcke angeführte Flügel der AfD vom Verfassungsschutz mit guten Gründen beobachtet.

Beobachtungen rund um die Wartburg in der letzten Woche vor dem Wahltag: Mit „Wende 2.0“ hatte die AfD das ganze Land und manchen Verstand zugekleistert. Was für eine absurde Verkehrung der Tatsachen, forderten Plakate zur „friedlichen Revolution im Wahllokal“ auf, hatten sie die Parole „Freiheit statt Sozialismus“ aus der historischen Mottenkiste geklaubt.  Übel doppeldeutig und demokratiefeindlich hängt da: „Damals und Heute: Meinungsfreiheit!“ oder „Sie hatten 30 Jahre Zeit“. Keinerlei Chance, die Leute in der blau-braunen Filterblase zu erreichen.

Gut, aber können wir uns wirklich entspannt zurücklehnen, weil die Wählerinnen und Wähler in Thüringen, Sachsen, Brandenburg, und Bremen zu 76,6 %, 72,5 %, 76,5 % bzw. 93,9 %  „demokratisch“ votiert haben. Einen langen Atem braucht es und hartnäckige Überzeugungsarbeit für ein höchst komplexes Geschehen. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bringt es auf den Punkt: „Die wirkliche demokratische Politik ist weder Unterhaltung noch Erlösung. Die wirkliche Politik ist grau, hässlich, schweißtreibend, enttäuschungsbehaftet und müht sich von Kompromiss zu Kompromiss, sie verlangt geradezu revolutionäre Geduld! Ich lobe die Langsamkeit von Demokratie, auch wenn sie mich und uns Nerven kostet. Nur diese Langsamkeit schafft die Möglichkeit, dass sich an ihren Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen möglichst viele Bürger beteiligen können, wenn sie es denn wollen.“

Woran wir keinesfalls rütteln lassen dürfen: Klar positioniert für die Achtung der Würde aller Menschen und für demokratische Errungenschaften und eine Dialogkultur einzutreten. Gerade auch eingedenk der Novemberprogrome vor 81 Jahren und heutigen Antisemiten, die sich wieder für salon- und gesellschaftsfähig halten. Mit einer harten Kante gegen Rechtsextremisten und gegen fremdenfeindliche, spalterisch-sektiererische Tendenzen. Das wiederum ist die überaus schmerzliche Tageserinnerung im neuen Deutschland.

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